Lassen wir Wolfgang Schwab selbst sprechen: "Begonnen hat alles mit dem Gasthaus „Zur Sonne“ und der dazugehörigen Bäckerei in Kleinbottwar, im Bottwartal zwischen Stuttgart und Heilbronn gelegen. Mitte der sechziger Jahre wurde daraus die Bäckerei, Cafe und Weinstube "Ringle-Roth",die von drei Familien betrieben wurde. Der Weinbau war den Familien immer wichtig, um den Gästen in der Weinstube die klassischen und bekömmlichen Fass- und Flaschenweine einzuschenken. Im Jahr 1996 habe ich als einer der Enkel aus der großen Ringle-Roth-Familie die Weinberge übernommen und baue aktuell in den besten Lagen in Kleinbottwar auf einer Fläche von 0,23 ha Lemberger, Riesling und als Spezialität den Cabernet Dorsa an." Zitat Ende.

Sechs Rotweine, drei Weißweine, keine Brände und so weiter, versektet wird auch nicht. Den Ausbau übernimmt ein befreundeter Winzer im selben Ort. Jeglichen Verkostungskomfort sucht man vergebens, die Inkjet-Preisliste - was ist das: DIN C4? Die Weine kann man in einer Art Lager-, Abstell- oder Kellerraum gleich auf der Tiefkühltruhe probieren. Empfangen und beraten wird man trotzdem freundlich, die Weine duften und schmecken auch ohne Riedelglas oder dergleichen hervorragend, und sie sind von unglaublichem Preis-Leistungs-Verhältnis. Weinbau als Nebenerwerb, familiär, authentisch. Das dicke Ende kommt noch. Dazu unten mehr.

Rotweine

2017 Lemberger S trocken „aus Trauben mit Spätlesequalität“: im Duft zunächst gar nicht mal so aufregend: ein bißchen reife Kirsche, herbe Brombeere und gut ist. Im Mund fruchtig, nicht zu süß und eher rosmarinbitter, unbedingt trocken, kraftvoll, vollmundig. Starke Tannine, die ständig zum Nippen animieren. Schwarze Kirschen, ein Busch Rosmarin im prallen Sonnenlicht, ein Hauch Zimt, schwarzer Pfeffer. Ziemlich sensationell der kraftvolle, aber seidige Nachhall, fast unendlich lange haftend: dieser Wein widersteht jedem Käse, jedem Braten, und die rezenten Partner kitzeln die Fruchtsüße delikat heraus. Besondere Feinheit oder schwebende Duftigkeit sucht man vergebens und wird man von solchen Weinen auch nicht erwarten, aber man wird dafür mit Opulenz und viel Spaß entschädigt.

2018 Trollinger trocken: vormittags im sonnigen Ratskellergarten saßen damals die Ludwigsburger Honoratioren, manchmal Student:innen der pädagogischen Hochschule dazwischen, eine Brezel oder einen Leberkäs mit Bauernbrot zum Vesper vor sich, gegen mittag dann Rostbraten mit Soße, und genau so ein Wein dazu musste es sein - in Zeiten als die Ludwigsburger Innenstadt noch nicht von Nagelstudios, Handyshops und Sisha-Bars überschwemmt war. Die Zeiten sind vorbei, die Zeit für diesen Wein zum Glück nicht. Sein Duft entfaltet sich warm, weich, süß: Johannisbeergelee, blanchierte süße Mandeln. Im Mund wieder rote Johannisbeere, oder besser deren zerbissene Kerne, Erdbeere, sehr sanft, saftig, dennoch trocken und wasserziehend, robust mit lebendiger Säure und darum nicht unbedingt typisch. Keineswegs süß, wie auch Wolfgang Schwab ganz allgemein kein großer Freund des hohen Restzuckers ist - mit zwei Ausnahmen: die erste der 2018 Trollinger. In seiner Aromatik ähnlich facettenreich wie der Trockene, nur eben mit erheblich mehr Restzucker. Ein Alleinunterhalter: süffig, saftig und etwas füllig, köstlich. Die zweite Ausnahme kommt unten beim Weißwein.

Den Exoten im Pogramm gibt der 2018 Cabernet Dorsa S trocken "aus Trauben mit Spätlesequalität“. Im Glas haben wir den Duft eines kochenden Topfs voller Schwarzkirschen, gewürzt mit etwas Pfeffer und einer Zimtstange, heiß, durchdringend und süßer als es die 0,6 Gramm Restzucker vermuten lassen. Im Mund voll, weich, kräftig mit feinen Säurespitzen und wirklich knochentrocken, nach einiger Zeit mit einer Graphitnote, und irgendwann werden wir auch den Eindruck von Orange nicht los, aber vielleicht überfordert der Wein die Sinne auch einfach. Einer zum Schlürfen und Schmatzen. Mit Weinen aus Neuzüchtungen haben wir unsere Probleme, der hier ist in Ordnung.

Weißweine und Rosé

Das image des Kerner wurde in den vergangenen Jahrzehnten vor allem durch Württemberger Genossenschaften so gründlich ruiniert, daß es wahrscheinlich kein Zurück mehr gibt - sozusagen ausgestorben, zusammen mit seiner Kundschaft. Hin und wieder, aber inzwischen kaum mehr findet man bemerkenswerte Liebhaberprojekte einzelner Winzer (übrigens nicht immer aus Württemberg - man forsche z. B. in der Pfalz oder in Südtirol nach). Wer sich also einmal mit dieser fossilen Sorte befassen will, greife unbesorgt zu dem Exemplar hier: bei unserem Besuch im Frühjahr 2022 warnte Wolfgang Schwab ob des hohen Alters für einen einfachen Weißwein vor möglicher Altersnote, aber sein 2017 Kerner hatte die fünf Jahre locker weggesteckt. Statt Altersarmut bekommen wir eine kühle Brise, weißblütenduftig, fröhliche, gelbfruchtige Süße mit leichtem Muskatton, dabei saftig-rassige Säure, die ihm sogar etwas Schmelz verleiht. Überraschend lange anhaltend. Ideal für die Sommernacht, wenn man von den Roten längst genug hat und der Geist dringend nach etwas Frische verlangt. Apropos Frische... Das Einsatzgebiet des 2019 Rosé aus Cabernet Dorsa und Lemberger ist die Sommerterrasse, gerne auch mit höherer Außentemperatur. Der Wein hält das aus, und starke Kühlung mag er ohnehin nicht. Rote Früchte wie Hagebutte und Waldbeeren im Duft. Im Mund trocken, streng, frische, säuerliche Sternfrucht, insgesamt etwas hart am Gaumen. Bitternote wie Wachholder oder besser Pink Grapefruit, zusammen mit der präsenten Säure ideal für einen Terrassenwein. Die feine Erdbeerfrucht fehlt auch nicht, nachdem man sich irgendwann mit diesem eigenwilligen Wein angefreundet hat. Vollmundig und lange nachhallend - was sollte man mehr verlangen?

Aufmerksamen Lesern fällt auf, daß die verfügbaren Jahrgänge im Frühjahr 2022 nicht die aktuellsten sind oder besser: bereits schön gereift, und das liegt daran, dass sich der Weinbau für die Familie nicht mehr lohnt. Ob man den ein oder anderen idealen Jahrgang noch mitnehmen würde, war zum Zeitpunkt unseres Besuchs unklar, aber die Lagerbestände wurden bereits abverkauft. Das Schicksal gehört zum Nebenerwerbsbetrieb manchmal dazu, und im Spätsommer 2023 sieht es aus, als müssten immer mehr dieser kleinen Betriebe dank der politischen Großwetterlage schließen. Für unsere Leserinnen und Leser konnte das damals jedenfalls nur heißen: zuschlagen!