Echter können Philosophie und Programm nicht sein: neun Positionen aus schwäbischen Klassikern sowie Riesling, kein Raum für Moden. Ausschließlich Literflaschen, deren Etiketten mit allem, was man über den Inhalt wirklich wissen muß, und geziert vom stolzen Neckarweihinger Wappen. Nur Hofverkauf und Besenausschank zu Spottpreisen. Keine Wein-Exposees, keine Vinothek, kein Verkostungs-Drumherum: Weinbau als Nebenerwerb. Punkt.

Ein Riesling und ein Muskatrollinger

Für einen Württemberger Riesling ist der 2017 Riesling ungewöhnlich mild, feinste Säure, zartherber, leicht säuerlicher Boskop, der leicht erfriert - also nicht zu kalt servieren -, jedoch mit der Zeit schöne Frucht und die subtile Süße eines angebissenen Apfels entwickelt, dessen Fruchtfleisch braun zu werden beginnt, getrocknete Aprikose kommt hinzu, keinerlei Bodennote. Mit angenehm niedrigem Alkoholgehalt ist er der klassische Terrassenwein, ein frischer, erfrischender, animierender "Durstlöscher" mit trockenem, apfelfruchtigem und leicht nussigem Nachhall. Nicht allzu standfest gegenüber rezenter Küche, macht uns deshalb am meisten Spaß als Alleinunterhalter. Mit Grauen halten wir es für möglich, daß manche Zeitgenossen solche feinen Weine zur "Schorle weiß-sauer" verhunzen. Im Sommer 2023 merkt man jedoch langsam, daß er nicht für die lange Reifung gedacht ist.

In Mayers Besenwirtschaft wird man den 2017 Muskattrollinger wohl nur aus "Viertele"-Gläsern genießen können. Wir benutzten abwechselnd Riedels "Sommelier Riesling" und Ziehers "Intense", und der Muskattrollinger machte (sozusagen im Smoking) eine sehr passable Figur: die Schleifpapiersäure war gezähmt und wurde saftig, der zunächst etwas vordergründig süße und rosenduftige Wein wurde knackig, lang und facettenreich, zeigte unerwartet feine Noten von Orange und Grapefruit. Außerdem ist er so robust, daß er einem Raclette problemlos widersteht und der Besenküche sowieso. Vom Muskattrollinger gibt es auch einen Rosé, der für uns jedoch etwas zu leicht geriet. Leider bezeichnet Wolfgang Mayer seinen Sauvignon blanc nicht mit dem alten schwäbischen Synonym "Muskatsilvaner", aber vielleicht wäre ihm das zuviel Lokalpatriotismus. Wahrscheinlicher: keiner seiner Kunden wüßte, was das ist. Den Wein werden wir jedenfalls zur Eröffnung der Terrassen- und Spargelsaison kommentieren.

Rotweine

Hier das highlight: der 2017 Trollinger trocken nimmt mit seiner fein parfümierten Note von Rosenblättern ein, daneben Kirschpraline, die sich im Geschmack fortsetzt, begleitet von ätherischen Kräuternoten wie Rosmarinöl und Fenchelgrün. Sehr saftig und vollmundig, angenehme Süße und prägnante Säure gut balanciert. Verabschiedet sich etwas zu schnell, was solls. Naturgemäß süßer kommt der 2018 Trollinger daher. Im Duft unverkennbar der Muskattrollinger, frisch gezupfte Löwenzahnblätter, zuckersüße rote Johannisbeere. Im Mund wiederum Muskatrollinger, der auch für die staubtrockene Anmutung sorgt, und hier mixte Wolfgang Mayer wirklich das zulässige Maximum hinein, weiße Mandeln, ein Hauch Orange. Süffig, cremig, sanft, dennoch nicht zu weich mit feinen Säurespitzen, die sich im Abgang entfalten. Mit seinen angenehmen 11 Vol-% beweist der Wein, daß Trinkvergnügen nicht auf hohe Alkoholgehalte angewiesen ist.

Das rote Programm wird vom 2018 Lemberger trocken" abgerundet - ein solider, auf der rotfruchtigen Seite stehender Wein, durchaus vollmundig, jedoch erfreulich bescheiden, was Alkohol und Restzucker angeht, gut eingebundene Säure. Beim kürzlichen Wintergrillen, oder was man heutzutage eben "Winter" nennt, gaben wir dem Wein kurzerhand Gewürze hinzu und machten einen Glühwein daraus, der jeden weihnachtsmarktlichen Plastikkanisterstoff als das entlarvt, was er ist. Man sollte sowieso falschen Respekt ablegen. In unserem Häge-Kapitel schrieben wir vor Jahren über das Würzen von Wein. Wer kann etwas gegen blitzsauberen, hocharomatischen, nicht zu süßen Glühwein sagen, nach dessen Genuß man sich behaglich warm und immer noch frisch fühlt.