Seit 2018 bewirtschaftet Felix Velte eine Rebfläche von etwas weniger als einem ha. Damit zählt er im Moment nicht geradezu den big playern der Gegend , jedoch - um die Verhältnisse zurechtzurücken - im Burgund, beispielsweise Clos de Vougeot gilt man damit schon als einer der Großen. Und Veltes Terrassenlagen an Neckar und Enz sind mindestens so malerisch wie die Landschaft nördlich von Beaune, sogar das Terroir ist vergleichbar, aber strapazieren wir die Parallelen nicht zu sehr.

Nur fünf Weine stehen in Veltes Liste, davon zwei Lemberger und ein Sekt. Diese Beschränkung kann Indiz für Qualität sein: wenig ist geboten, das Wenige aber wird beherrscht. Angebaut werden neben Lemberger Riesling, Weißburgunder sowie Schwarzriesling für den Sekt. Auf den sonst allgegenwärtigen Trollinger verzichtet man.

Riesling und Weissburgunder

Unser erster Eindruck vom 2019 Riesling trocken ist der eines verschwitzten, rebellischen Rotzlöffels. Parallelen zum Stil des "Riesling "Rebell" von Felix Hauser-Bühler aus Baden sind unübersehbar: säurestark, nicht gefällig, widerspenstig, bockig; wohlmeinende Pädagogen würden sagen: charakterstark. Dann stellten wir das Glas zehn Minuten beiseite, und das Luftholen tat dem Rotzlöffel gut: gelbe und grüne Früchte, angenehm zurückhaltende Süße, sanfte, aber stets präsente und spannende Mineralik, Schleifpapiersäure macht ihn saftig, animierend und beruhigt sich mit der Zeit in Richtung Rohseide. Ihn mit grünem Spargel und Speck zu kombinieren wird nächstes Frühjahr viel Spaß machen. Ein Wein, nicht für die innere Einkehr gedacht, sondern einer, der fordert. Äußerst gelungenes Beispiel eines modernen Württemberger Rieslings.

Direkt nach dem Riesling ist der Weissburgunder ein richtiges Zuckertröpfchen. Zugegeben: warum man Weissburgunder aus Württemberg trinken sollte, wenn Baden doch so nahe liegt, wissen wir auch nicht. Felix Veltes 2019 Weissburgunder trocken jedenfalls tritt mit langer Maischestandzeit und teilweisem Ausbau im Holzfass die Flucht nach vorne an: apfel- und südfruchtig, vor allem mit der bitteren Süße der Mandarinenschale, ein strenger Akzent von Leder, sehr saftig für einen so jungen Weißburgunder, durchaus lange nachhallend, kein unbedingt leichter Wein, damit passend zur kalten Jahreszeit. Eine kleine Überraschung.

Die Lemberger und ein Plädoyer für Württemberger Typizität

Den 2019 Lemberger "Schrannawengert" aus seinen ältesten Lagen bezeichnet Velte kurz und knapp als "unser Bester" - ein „typischer Lemberger“ sei das mit "internationalem Einschlag". Dazu ist zweierlei zu sagen. Erstens wissen wir nicht was „Internationaler Einschlag“ bedeutet, denn dem "International" haftet ja stets etwas Beliebigkeit an. Hoffentlich schwebt Felix Velte nicht vor, für seine Lemberger etwa dem Merlot-Standard a la Michel Rolland zu folgen. Zweitens: „Typisch“ ist der „Schrannawengert“ Lemberger kaum, aber dazu gleich mehr. Und ob “Typisch“ sich nicht vielleicht mit „internationalem Einschlag“ beißt, wäre auch noch zu klären. Überhaupt scheinen einige Württemberger ihre Schwierigkeiten mit Typizität und Eigenart zu haben. Anders ist nicht zu verstehen, warum beispielsweise die Weinsberger von „romanischem Stil“ ihrer Neuzüchtungen faseln, als meinten sie im Ernst, in den Straßencafes von Catania oder irgendwo im Roussillon wäre demnächst Cabernet Carbon gefragt. Oder ist Ihnen ihr eigener Wein nicht gut genug? Zurück zum "Schrannawengert". Jenseits der Marketing-Poesie handelt es sich um einen sehr opulenten, schweren, weichen, öligen und fast glatten schwarzroten Wein auf der süßen Seite. In Duft und Mund süßer Rumtopf, vor allem aber Likörkirsche, die den Wein bis in seinen Nachhall hinein prägt, außerdem Marzipan, etwas Zimt oder Zimtstern. Feine, nicht ganz harmonische Holznote vom neuen Barrique. Junge Weingüter müssen solche überkandidelten Weine im Programm haben: Weine, an denen sich der Winzer versuchen kann, experimentieren, austesten, auch was die Laune der Kundschaft angeht und deren Bereitschaft, etwas mehr zu investieren. Der Wein machte sich sehr gut in Duetts mit Magenbrot, Pfefferkuchen und Spekulatius. Kühl servieren und Kaminfeuer dazu - perfekt.

Der wirklich typische Schwabe ist der 2019 Lemberger trocken. Tatsächlich: in der Runde fällt die Vokabel "ehrlich", und die trifft den Kern. Rote Johannisbeere, Sauerkirsche, etwas Rauch; dicht, kompakt, aber unkompliziert in der Auswahl von Begleitern und viel einfacher zu genießen als der "Schrannawengert".

Wann wir den lachsfarbenen 2019 Lemberger Rosé trocken aus Lemberger mit Schwarzriesling öffnen werden, steht im Winter 2021 noch nicht fest. Einstweilen behelfen wir uns mit dem feinperligen, erdbeerfruchtigen und unverschämt preiswerten Sekt namens "On the rocks.